… auf des toten Manns Kiste

Tag- und Nachtträume in viraler Epoche

Ich ging im Städtchen so für mich hin. Und natürlich stand mir nicht der Sinn danach irgend etwas zu suchen. Ein harmloser Spaziergang zu pandemischen Zeiten im gutbürgerlichen Stadtteil sollte es sein. Die frühlingswarme Straße hinauf und hinab. Auf beiden Seiten mehrstöckige Wohnhäuser der Gründerzeit. Aus der inneren Einkehr kurz aufschauend, strecken sich plötzlich aus jedem Haus unzählige Balkone dem Überraschten entgegen. Und schon erklingen Stimmen. Glockenhelle Stimmen junger Knaben und Mädchen, paarweise stehen sie auf den schmiedeeisern umhegten Plattformen: Freude, schöner Götterfunken, / Tochter aus Elisium, / Wir betreten feuertrunken / Himmlische, dein Heiligthum.

Von einem Augenblick auf den anderen sind die Kinder verschwunden. An ihrer Stelle singen jetzt Männer. Große und kleine, schmale und beleibte, glatt oder bärtig, betagt oder jünger. Satte Bässe und schmetternde Tenöre in Zweier-, Dreier-, Vierergruppen. Kraftvoller Gesang im widerhallenden Straßenraum: La Montanara ohe / Von fern rauscht der Wasserfall / Und durch die grünen Tannen / Bricht silbern das Licht. Doch bald werden die Stimmen rauher, aus melodischem Gesang wird eine Art Grölen. Zu verstehen ist nur der in Dauerschleife wiederholte Refrain: You never walk alone. 

In der folgenden Nacht der beklemmende Besuch im Autokino. Die Türen des Wagens lassen sich nicht mehr öffnen. Ich rüttle an den Seitentüren, klopfe verzweifelt gegen die Windschutzscheibe. Nichts und niemand rührt sich. Auf dem Beifahrersitz die leere Tüte einer Großportion Popcorn und aus dem Literbecher Copa Cola ragt der Trinkhalm. Nur wenige Meter vor mir auf einer extrem überdimensionierten Leinwand laufen sämtliche Bergman-Filme in Endlosschleife. Stundenlang, nächtelang. Kein Entkommen. Als ich schweißgebadet aufwache, wird es bereits hell vor dem Fenster. Vögel jubilieren.

Die Nächte drauf suchen mich beängstigende Gestalten aus den in den letzten Tagen und Wochen verschlungenen Romanen heim. Massive Nebenwirkungen exzessiver Leseorgien, erzwungen durch Quarantäne und die Abstinenz von jeder Form kultureller oder sportlicher Freizeitaktivität. Fußball in echt, Maibockfeste und Volksläufe, Freilichttheater und Kammermusikabende unter Linden – alles passé. Entzugserscheinungen. Massiv. Zittern. Schlafprobleme. Immer öfter kommt der Alp.

Die Hispaniola schwankt in schwerer See. Long John Silver und der Einbeinige mit der Holzkrücke zerren mich an Deck. Drei Seeräuber schwanken auf mich zu und schwingen ihre Säbel über den Kopf. Mein Fluchtversuch mit bleischweren Füßen rückwärts über nasse Planken. Der Rand des Schiffbugs. Das Hindernis. Stolpern. Sturz über die niedere Reling. Unter mir die aufgewühlte Südsee. Den Chor der zerlumpten Mannschaft noch im Ohr: Fünfzehn Mann auf des toten Manns Kiste / Ho ho ho und ne Buddel mit Rum / Schnaps stand stets auf der Höllenfahrt Liste / Ho ho ho und ne Buddel mit Rum. Schmerz in der Hüfte. Langsames Erwachen neben dem Bett. Die Schatzinsel ist das hier nicht.

Schlaflos in den Straßen Londons unterwegs. In Wirklichkeit war ich nie hier. Jetzt bin ich in die Romane von Nicci French geraten. Belebte Straßenzüge mit kleinen Läden. Die Gerüche der Gewürze aus aller Welt. Kleine Gassen und Straßenmärkte. Das Ufer der Themse und stinkende Kanäle. Pubs, Kneipen, zwielichtige Hotels, Wolkenkratzer, Brachland und die Krater großer Baustellen. Kleine Parks und Grünanlagen. Vernachlässigte Reihenhäuser und schäbige Wohnsilos, und hinter jeder Ecke kann ER lauern. Dean Reave, der Psychopath, der mehrfache Mörder, der Wandelbare. Allgegenwärtige Bedrohung. Ich habe mich in eine kleine Teestube geflüchtet, nass vom Dauerregen, frierend, einsam und hilflos. Da geht die Tür auf … 

Acht dicke Bände mit Frieda Klein, der Londoner Psychotherapeutin und nächtlichen Stadtwanderin, die der Londoner Polizei immer wieder mehr oder weniger freiwillig zur Hand geht. Von Blauer Montag bis Der achte Tag pralle Spannung und Unbehagen. Auslöser unruhiger Nächte mit beklemmenden Träumen.

Über meine weitere Lektüre muss ich mir ernsthaft Gedanken machen, wenn ich zu ruhigem, das Immunsystem stärkenden Schlaf zurückfinden will. Vielleicht in Zukunft nur noch die autobiographisch grundierten Eugen-Rapp-Romane von Hermann Lenz. Oder ich mache mich endlich einmal zusammen mit Marcel P. auf die Suche nach der verlorenen Zeit

Exklusiv: Das war 2011!

So. Rum! MMXI

Literatur*Orte*Spuren mit einem ersten Jahresrückblick

Ende letzten Jahres wurden der Internet-Plattform „RikySeeks“  Informationen aus führenden Rundfunk- und Fernseh-Anstalten Deutschlands zugespielt, die erkennen ließen, dass die neuesten Jahres-Rückblicke, Ausstrahlung geplant für den Frühherbst 2011, bereits als Roh-Manuskripte existieren. „RikySeeks“ konnte an Kopien gelangen, die demnächst auf der Website www.rikyseeks.net als Faksimile der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Literatur*Orte*Spuren veröffentlicht schon heute erste Auszüge.

Januar. Die Neujahrsbotschaft des us-amerikanischen Präsidenten Barack Obama, in der dieser seinen Rücktritt zum Ende des Monats ankündigte, ging in Deutschland fast unter. Tagelang standen Meldungen über die Insolvenz der Fussballvereine TSV 1860 München und SSV Ulm 1846 im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Beide Traditions-Clubs wurden mangels Masse rückwirkend zum 1.1.2011 aufgelöst. Die Mannschaften wurden aus den jeweiligen Staffeln genommen, ihre Ergebnisse annuliert. In München erlitt der bekannte Kabarettist und 60er-Fan Ottfried Fischer einen Schwächeanfall. Der ebenfalls nicht ganz unbekannte Ulmer Oberbürgermeister Ivo Gönner kommentierte die Vorkommnisse: „Jetzt isch a Rua.“ Nicht klar wurde, auf welches Ereignis er sich damit bezog.

Februar. Seit Mitte November hielt das nahezu stabile Winterwetter an, und auch der Februar 2011 verlief kalt und schneereich. Kaputte Straßen und die vielen Einsätze der Winterdienste strapazierten die klammen Kassen der Kommunen zusätzlich. Allerorten wurde über mögliche Sparmaßnahmen nachgedacht. Und natürlich standen die Bibliotheken wieder einmal ganz oben auf den meisten Listen. Doch es gab auf diesem darbenden Kultursektor auch positive Nachrichten. In Freilassung wurde auf private Initiative und mit Unterstützung der Stadt eine Bibliothek der Gedichte gegründet. Sie wird in einem ehemaligen Bahnwärter-Häuschen am Inn eingerichtet. Freilassing ist die deutsche Nachbarstadt der österreichischen Festspielstadt Salzburg, in der am 3. Februar 1887 Georg Trakl geboren wurde. Es ist geplant die Einrichtung nach dem großen, aber im kurzen Leben sehr unglücklichen, Dichter zu benennen. „Ein Brunnen singt“, lautet das Motto, unter dem das ambitionierte Unternehmen steht und das Trakls Gedicht „Musik im Mirabell“ entstammt.

März. Zur Buchmesse in Leipzig erschien die gesetzte Neuausgabe von Arno Schmidts „Zettel’s Traum“ als E-Book. Im Rahmen einer speziell für dieses Projekt geschlossenen Partnerschaft von Suhrkamp, der Arno-Schmidt-Gesellschaft (Bargfeld) und Apple, ist die elektronische Version des gedruckt 1536 starken Buches nur auf dem neuen I-PO zu bekommen. Das Modell wird dem Werk und den Intensionen des Autors durch sein ungewöhnliches Format (35,8 x 27,4 Cent-I-Meter) in hervorragender Weise gerecht. Der I-PO ist selbstverständlich mit einem hochauflösenden Tatsch-Screen ausgestattet.

April. Bei Bodengrabungen im Lonetal nahe Ulm, entdeckten Forscher der Universität Tübingen Spuren einer bisher unbekannten Frühkultur. Diese allerersten Siedler im damals noch breiteren Flusstal der schwäbischen Alb, verfügten offensichtlich bereits über erstaunliche Kulturtechniken. So wurden Tontafeln mit eingeritzten Zeichen gefunden, die darauf hindeuten, dass der Lonetal-Mensch ein Rechensystem verwendete, das auf den Zeichen 0 und I aufgebaut war. Für genauere Analysen wurden Kryptographen der Universität Ulm herangezogen. Die Tübinger Archäologen haben erste Erkenntnisse über diese „ostschwäbische Digital-Kultur“, wie sie vorläufig genannt wird, inzwischen publiziert. (AJA, 114, pp 557-561, doi: 10.3764/aja.114.3.557)

Mai. Einzelne Medienberichte über den 100. Geburtstag Max Frischs stießen auf wenig Interesse. Im Mittelpunkt stand einmal mehr der Fussball. Nach zahlreichen zweiten Plätzen in verschiedenen Wettbewerben, wurde Bayer Leverkusen erstmals deutscher Fussball-Meister, vor Dortmund und Mainz. Der VfB Stuttgart stieg als Tabellenletzter aus der Fußball-Bundesliga ab. Manager Fredi Bobic erklärte seinen Rücktritt. In einer gemeinsamen Erklärung von Vorstand und Trainer, der auch in der zweiten Liga Bruno Labbadia sein wird, hieß es: „Der Verein strebt den sofortigen Wiederaufstieg an.“ Bayern München wurde Drittletzter. In zwei spannenden Relegationsspielen konnte sich der Rekordmeister gegen den fränkischen Rivalen von Greuther Fürth durchsetzen und den Klassenerhalt sichern. Nur fünf Tage später gewann der FC Bayern das Champions-League-Finale in London gegen die überraschend ins Endspiel gelangte Mannschaft des FC Kopenhagen.

Juni. Das auswärtige Amt in Berlin riet jungen Frauen für diesen Sommer dringend von Aufenthalten in Italien ab. Nach der Einführung einer Audienzpflicht für deutsche Frauen bei Ministerpräsident Berlusconi wurde empfohlen, in der bevorstehenden Urlaubszeit andere Reiseziele zu wählen. Über mögliche Altersober- oder -untergrenzen in diesem Zusammenhang machte Günther Jauch, der Sprecher des neuen Außenministers und Vizekanzlers vonundzu Guttenberg, keine Angaben.

Juli. Die erfolgreiche Tatort-Reihe der ARD wurde überraschend abgesetzt. Nach über vierzig Jahren war im Sommer Dreh-Schluss. Aus diesem Anlass fand eine große finale Party in Ludwigshafen statt. Alle noch aktiven Kommissare und Kommissarinnen, Ermittler und Rechtsmediziner, sowie viele Ehemalige, feierten gemeinsam am Rhein-Ufer. Die Kölner hatten einen Curry-Wurst-Stand aufgestellt, die Münchener Kommissare steuerten einige Fässer bestes bayerisches Exportbier bei und Axel Milberg, alias Borowski, brachte aus Kiel frischgeräucherte Sprotten. Bis zum nächsten Morgen wurde gefeiert, gezecht und in Erinnerungen geschwelgt. (Zwei Tage später, am 17. Juli, wurde in Frankfurt das Finale der Frauen-WM im Fussball ausgetragen … zwischen Nigeria und Australien! Endstand: 1 : 2) Die allerletzte Tatort-Folge wurde dann Mitte Oktober gesendet. Sie trägt den Titel „Taxi aus Leipzig.“

August. Auf geht’s! Das Müchener Oktoberfest fand dieses Jahr erstmals bereits im August statt. Schweißgebadet sprach OB Uhde nach ungewöhnlichen 11 Schlägen das traditionelle “ozapft is!”. Anschließend wurde das neue Team des FC Bayern München präsentiert. Mannschaftsführer Bastian Schweinsteiger versprach unter dem tosenden Beifall der stammwürzig erhitzten Menge, in dieser Saison die Meisterschale wieder nach München zu holen. Dem schloss sich der neue Trainer Thomas Tuchel an und ergänzte, dass natürlich auch der Champions-League Titel erneut gewonnen werden soll. Die Begeisterung im überfüllten Zelt war grenzenlos. Spontan und gemeinsam stimmte man den traditionellen Spider-Murphy-Song „Schickeria“ an und stemmte die Maßkrüge gen Zelthimmel.

September. Früher Wintereinbruch in Deutschland. In Castrop-Rauxel und Buxtehude brach die Fernwärmeversorgung, in Leipzig und Zwickau der Straßen- und in München, Berlin und Hamburg der S-Bahn-Verkehr zusammen. Erste Testfahrten auf der Neubau-Strecke der Bahn zwischen Wendlingen und Ulm, die für die zweite Monatshälfte mit einer Draisine geplant waren, wurden aus Sicherheitsgründen abgesagt.

Oktober. Auf der Frankfurter Buchmesse wurde wie jedes Jahr, so auch 2011, einmal mehr der endgültige Durchbruch des E-Book gefeiert. Zugelassen waren in diesem Jahr nur Aussteller, die mindestens einen Titel in einer elektronischen Reader-Version anbieten konnten. Den diesjährigen Deutschen Buchpreis erhielt Oliver Bendel für seinen neuen Handy-Roman „Handygirl – Part III“. In diesem Teil spielt unsere Freundin Liza in einem Theaterstück mit. „Frühlings Erwachen“ von Frank Wedekind. Kathi sitzt auf der Ersatzbank und Handygirl hat eine neue Aufgabe als Superheldin.

November. Im Print-Bereich machten in diesem Herbst gleich zwei Publikationen außerordentlich Furore und erfreuten die zuletzt nicht verwöhnte Buch-Branche mit stattlichen Extra-Umsätzen. Gefeiert und in ganz Deutschland bestens verkauft, wurde das neue Buch von Uwe Tellkamp. „Im Sturm“ erzählt, wie einmal zu DDR-Zeiten der ganze Stadtteil Weißer Hirsch durch einen Schneesturm vom Rest Dresdens abgeschnitten war. Den Bewohnern des Nobel-Viertels wurde daraufhin ähnlich langweilig, wie den Lesern von Tellkamps Werken. Für Schlagzeilen sorgte auch Hape Kerkeling mit seinem neuesten Verkaufserfolg “Ich bin wieder da!”. Innerhalb weniger Tage war die Erstauflage von 1 Million Exemplaren verkauft. BILD hatte Auszüge vorab veröffentlicht und seine verkaufte Auflage damit ebenfalls beträchtlich steigern können. Til Schweiger hat die Filmrechte erworben. Für die Titelrolle ist Nora Tschirner vorgesehen.

Dezember. Erstmals fanden zu Beginn des Monats die „Freilassinger-Lyrik-Tage“ in der „Georg-Trakl-Bibliothek“ statt. Aus ihren Werken lasen, neben einigen vielversprechenden jungen Talenten, die bekannten Dichter Michael Lenz, Jan Wagner und Morten Söndergaard.

Geschenk-Renner unter deutschen Weihnachtsbäumen im zu Ende gehenden Jahr 2011: Der E-Book-Reader von ALDI. Auf dem Modell „Weimar“ sind Goethe und Schiller vorinstalliert.

Sudeleien

18. Oktober 2010: Der neue Buff oder ein Lob der Preisbindung

„Bunt sind schon die Wälder, gelb die Stoppelfelder und der Herbst beginnt.“ Die Blätter fallen und die Bücher kommen. Der neue Buff ist erschienen. (Buff, Charlie: Das Drama von Wetzlar. – 2. Teil: Die wahre Geschichte. – Leipzig : Panna Cotta, 2010. Euro 19,90.) „Der beste Buff, den es je gab“, schrieb die „Zeit der Welt“. Den muss ich haben! Sofort. Wenn ich bei Amazon bestelle ist er am nächsten Tag da. Vielleicht werden auch schon „Gebrauchte“ angeboten, dann kann ich elegant den gebundenen Preis unterlaufen.

Amazon? Die korrekte und branchenaffine Alternative ist natürlich der Kauf im kompetenten Sortiments-Buchhandel vor Ort. Zum Beispiel in der kuschelig überquellenden Vorstadt-Buchhandlung bei der beflissenen hageren Dame, die ihr Geschäft seit vielen Jahren mit unermüdlicher Selbstausbeutung betreibt. Könnte jedoch sein, dort sind schon alle Exemplare weg. Dann würde das heute nichts mehr mit der ersehnten Lektüre.

Bleibt die Großbuchhandlung in der City. Mantel und Shawl sind nötig um die Reihenhaus-Siedlung Richtung brodelndes Geschäftsleben zu verlassen. Auto oder Tram? Auto, damit bin ich schneller zurück und kann alsbald mit dem Lesen beginnen. Doch eine innere Stimme ist deutlich zu vernehmen: „ÖPNV ist nachhaltiger und auf der Schiene kannst Du gleich loslesen. Der innere Schweinehund antwortet: „Nimm das Auto, dann stehst Du nicht in Regen, Wind und schlechter Gesellschaft.“

Nun denn: Mit betont benzinsparender Fahrweise ins Parkhaus am Rande der City im ersten Geschoss vorbei an den Plätzen für Frauen die schon allein fahren können und gleich auf Ebene drei einen freien erwischt … jetzt nur noch wenige Schritte bis zur Bücherschwemme „Am Dom“ … da ist Manni mit der Obdachlosen-Zeitung die letzten zwei Ausgaben habe ich nicht gekauft deshalb spricht jetzt mein soziales Gewissen ein ernstes Wort mit mir Manni bekommt was ab vom Wohlstandskuchen (5,00 Euro)  und ich die neue „Pflaster“ … an Straßen-Musik komme ich nie vorbei Münzen werfe ich selten ein außer bei jenen begabten fülligen Herren mittleren Alters den aus Russland zugereisten Instrumentalisten die dir erstaunlicherweise ausgerechnet den amerikanischen Südstaaten-Dixie so intensiv durch die Blutbahn jagen (2 Währungseinheiten) … der mittelgroße Hunger meldet sich lieber jetzt noch Kalorien nachfüllen und nachher in Ruhe gelassen werden die Garnelen-Box „Forest Gump“ im „Shrimps-Paradies“ von „Südsee“ hat auch schon wieder aufgeschlagen (3,99) der zwangsfolgende Durst führt unmittelbar zu einer von der Ernährungsberaterin nicht empfohlenen „Happy-Cola“ (1,50) … aber dann habe ich endgültig das Eingangsgebläse der 1a-Lage für Lese-Bedarf passiert … Enttäuschung folgt denn im Regal unter B steht kein Charlie Buff die runde Blonde an der Info „den Buff finden Sie auf dem Aktionstisch“ achja und das gleich hundertfach und wird ständig aufgefüllt und nachgedruckt schon in der dritten Auflage … jetzt nur noch die Schlange an der Kasse überstehen die Dame vor mir möchte das Dixie-Büchlein für den Enkel als Geschenk verpackt der Herr nach ihr zählt Kleingeld ab dann ich „nein danke, keine Tüte“ und kurz danach mit dem neuen Charlie Buff unterm Arm erst raus aus dem Laden und dann noch ganz schnell rein zum Italiener liegt sowieso auf dem Weg zum Parkhaus ein kleiner espresso doppio (2,90) während ich die Schutzfolie vom Buch löse den Klappentext lese und erste Fingerabdrücke auf dem Hochglanz-Umschlag hinterlasse.

Ich schlage hinten auf, lese den letzten Satz zuerst: „Es ist mehr als Wahrheit, es ist Dichtung.“

Eben. Der neue Charlie Buff und sein wahrer Preis: 5 Euro für Manni, 2 für die Musik, 3,99 gegen Hunger, 1,50 gegen Durst, die Überdosis Koffein kostete 2,90, die Parkgebühr 2, die Benzinkosten schätze ich vorsichtig auf 1 Euro. Dazu ist der feste Ladenpreis für deutschsprachige Bücher aus deutschen Verlagen zu addieren. Im vorliegenden Fall 19,90. Das macht summa Buff: 37 Euro und 29 Cent. Ein Lob der Preisbindung. Da weiß man immer was Buch kostet.

So! Rum. März MMX

Im März. Fand nach anfänglichem Zögern und einem heftigen Rückfall, nun doch noch der Klima-Wandel statt. Es wurde Frühling. Zumindest vorläufig. Die Triebe sprießen wieder. „Veronica der Spargel wächst.“

Im Ernst. „Wie tief ist der Sex-Sumpf noch?“ (BILD) Ist das ganze Ausmaß des Missbrauchs von Kindern in pädagogischen Einrichtungen aller Art, die zu einem Teil der katholischen Kirche gehören, manchmal aber eben auch nicht (und täglich werden es mehr!), nicht schon schlimm genug, so ist die voyeuristisch-geifernde Art der Bericht-Erstattung einiger Medien ein zusätzlicher beträchtlicher Skandal, ein erneutes Vergehen an diesen Opfern und eine unentschuldbare Belästigung aller, die sich damit, in welcher Form auch immer, auseinanderzusetzen haben.

„Denn das ist dummer Aberglaube, zu meinen, das Leben von Segensleuten sei eitel Glück und schale Wohlfahrt. Bildet der Segen doch eigentlich nur den Grund ihres Wesens, welcher durch reichlich Qual und Heimsuchung zwischenein gleichsam golden hindurchschimmert.“ (Thomas Mann in: Geschichten Jaakobs)

In der weiten Welt. Klar. War natürlich ein Missverständnis. Guido W. ist nicht nach Chile ausgewandert. Seine Reise in mehrere südamerikanische Staaten hat er in seiner Funktion als Außenminister absolviert. Inzwischen hat er den Kontinent aber wieder verlassen. Schon doll, was der Mann alles ist und ißt. Er soll neulich in Berlin gesehen worden sein. Bei Curry 36. Er müsse sich von den Fest-Banketts mit chilenischen, brasilianischen und argentinischen Schönheiten und landestypischer Verpflegung erholen, wird gemunkelt.

In der Schweiz. Sind derzeit die CD-Rohlinge ausverkauft. Gleichzeitig verzeichnen führende Schweizer Banken ein dramatisches Absinken ihrer Bargeld- und Depot-Bestände.

Auf dem Olymp. Streiten einmal mehr die Götter und rund um das an Denkern und Mirakeln reiche Land wird ebenfalls das Geld knapp. Anders gesagt: das negative Geldvermögen vermehrt sich. Derbe Sache. (Derb, auch derbe = neues Modewort, Nachfolger von irre, toll, mega, krass, geil usw. Siehe dazu auch bei Wikipedia unter: Lena Meyer-Landrut.)

Aus meinem Lesetagbuch. Wer glaubt ich sei vor lauter Buchmesse und Leipzig liest, zugehöriger Vor- und Nachbereitung, Blog-Beiträge verfassen, Cafèhaus-Plauderei und was der kreativen Dinge mehr sind, auch noch zum Lesen von Büchern gekommen, der irrt. Nur herum-, an- und reingelesen war diesen Monat drin. Und die eine oder andere Zeitung (Leipziger Volkszeitung! Lesenwert und gut gemacht.) oder Zeitschrift (eigentlich auch nur die Literatur-Teile oder -Beilagen). Und natürlich Radio gehört. Ganz reichlich im März: MDR Figaro, das Kulturradio des Mitteldeutschen Rundfunks. Auf diesem Sender kam am meisten Buchmesse und der Musikmix, bestehend aus Klassik, Jazz und Singersongwriter (Chanson, Canzone, Lied), trifft ganz meinen Geschmack. Man mag von der Erfindung und Verbreitung des WWW halten was man mag, aber Internet-Radio finde ich schon… Doch!

Aus festlichem Anlass. Nun warten also – und keineswegs nur diese – Kinder im ganzen aufblühenden Land auf den Osterhasen. Das zeitgenössische Menschlein zeichnet selbigen ja inzwischen ohne die langen Löffel (s. dazu in Wikepedia unter: Till Schwaiger). Alle Eier haben sich schön bunt gemacht, während immer mehr Lämmer Leben lassen müssen. Und die Mützen im Vatikan fürchten nichts mehr als die reale Wiederkehr ihres Herrn und Meisters.

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Hyptotext

Mit einem Festakt wurde am 10. März im Bibliothekssaal des ehemaligen oberbayerischen Klosters Polling bei Weilheim bei München die offizielle Gründung der letzten Bibliothek (DLB) begangen. Anwesend waren zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und des bayerischen Klerus, die Festrede hielt B. E. Mich, der dazu aus der Ost-Mongolei angereist war, wo er eine Forschergruppe betreut, die im Rahmen eines DFG-Projektes mit der Ausgrabung von Sprachwurzeln beschäftigt ist. Musikalisch umrahmt wurde der Abend durch ein Gastspiel der Geigerin Anne Sophie Mutter, die Violin-Sonaten von Johannes Brahms interpretierte. Der Abend und das Konzert wurden vom Bayerischen Rundfunk im Radio übertragen. Die musikalischen Beiträge von Anne Sophie Mutter sind auch als CD bei der Deutschen Grammophon erschienen.

Dieser festliche Gründungsabend war natürlich nur eine Art von Initialzündung. Die eigentlichen Arbeiten beginnen jetzt erst. Geeignete Räume stehen im Pollinger Kloster-Komplex bereits zur Verfügung; sie müssen noch renoviert und eingerichtet werden. Ein großer Magazin-Bereich wird im benachbarten Raisting als Neubau erstellt. Mit seiner Fertigstellung ist voraussichtlich 2015 zu rechnen. Demnächst beginnt die besonders schwierige Phase des Bestandsaufbaus. Schließlich ist es das ambinionierte Ziel dieser ein- und letztmaligen Einrichtung, ausschließlich letzte Werke zu sammeln. Derzeit wird noch an einer genauen Definition dieses etwas abstrakten Begriffs gearbeitet. Es stehen allerdings für die nächsten Jahre großzügige Aufbau-Mittel in ausreichender Höhe zur Verfügung. Die Finanzierung teilen sich die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, sowie die Stiftung „Das Letzte“, der namhafte Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Wirtschaft angehören.