So! Rum. Mai MMX

Vorwort. So! Rum. kommt diesen Monat ein paar Tage zu früh. Noch bevor wirklich alles rum ist. Gründe gibt es: Den Schreib-Rhythmus des Blog-Autors, die gern genommenen technischen und organisatorischen, und auch die immer näher rückende WM in Südafrika hat eine gewisse Rolle gespielt. Deshalb ist diesmal, neben anderen runden Sachen, auch einiger Fussball dabei, sowie – und das hat auch den Verfasser selbst im nachhinein überrascht – schwerpunktmäßig allerhand Vermischtes aus und über Hamburg. War nicht geplant. Macht aber gar nix.

Ausgezeichnet. Einer der größten Sprachneuerer der deutschen Gegenwart wurde dieser Tage mit dem Jacob-Grimm-Preis ausgezeichnet. Keine Panik, es ist nicht Dieter B. Nein, die Rede ist vom größten Likör-Maler und Cello-Besinger beider Nachkriegs-Republiken. Dem Mittler zwischen Punk und Pankow. Der Held von der Andrea Doria und aus dem Palast der Republik. Der Mann der immer jenseits sichtbarer Horizonte an ein Weiter glaubte. Unser Teufels-Trommler aus dem westfälischen Gronau, den inzwischen alle für einen Eingeborenen des Hamburger Atlantic halten. Der Nuschler von der Reeperbahn, der Freund von Elli Pirelli und der sagenhaften Nena, der auf sinkenden Schiffen noch klar sieht und mit Hut, Lederhose und strammer Ironie über die Bühnen und durch die Manegen rockt. Mensch Udo, was sind wir beide doch alt geworden – aber Du bist wirklich preiswürdig, hast Dich um die deutsche Sprache echt verdient gemacht. Gratulatione Patrone!

Wert-Papier. Die Diskussion um das Thema konventionelles Buch versus E-Book wurde in den letzten Wochen und Monaten um einen wichtigen Aspekt erweitert: Papier hat seinen Preis. Und der steigt stetig. Transportkosten, Klima-Einflüsse, der stark zunehmende Verbrauch in den Emerging Markets, allen voran China, beschleunigen diese Tendenz. Die Herstellung hochwertiger Bücher verteuert sich, die Kalkulationen der Verlage gehen nicht mehr auf, das Endprodukt, das Buch, wie es in der Buchhandlung unseres Vertrauens liegt, wird uns immer teurer. Folge: Der Absatz und die Auflagen sinken, das Buch wird noch teurer, die Auflagen sinken … Nutznießer dieser Entwicklung wird möglicherweise das E-Book sein und damit eventuell schneller erfolgreich auf dem Markt als gedacht.

Formate. Aber noch sind Gütersloh und Furth im Wald nicht ganz verloren. Es naht Hoffnung am von Udo so gern besungenen Horizont. Möglicherweise wird es doch nicht so einfach für Kindle und ipad. Print strikes back. Mit ganz neuen Formaten gegen die drohende elektronische Flut. Und wer hat’s erfunden? Hä? Natürlich die Nord-Deutschen! Ja, der  Literatur-Quickie! ist da. Kommt aus Hamburg und ist fürs ganze Land. Ernsthaft, unpompös und innovativ treten schicke Heftchen im quatratischen Kleinformat die hochliterarische Nachfolge der klassischen Pixies an. Entstanden aus einer Reihe von Literatur-Lesungen, die so kurz aber erfolgreich waren, dass daraus ein Verlag und die Quickie-Reihe mit Erzählungen von überschaubarem Umfang hervorgingen. Vertreten sind bekannte und weniger bekannte Autoren; etwa Juli Zeh, Andreas Münzner, Ulrike Draesner oder Fast-Klassiker wie Klabund  und Kafka. Die Texte sind literarisch ausgesprochen qualitätvoll. Alle Stichproben können als sehr lesenswert eingestuft werden. Für drei Euronen (Jahres-Flat: 60) gibts die Heftchen im Netz und inzwischen auch in mancher Buchhandlung verkaufsstratigisch günstig („Mami, das will ich haben!“) vor und neben der Kasse.

Ballermann (1). Ohne Ballack fahr’n wir zur WM! Aber zum Glück ist „Schweini“ wieder dabei und in Top-Form – nur dass er jetzt Bastian Schweinsteiger heißt und zum Führungsspieler gereift ist. Dieser Prozess ist Prinz Poldi zunächst einmal misslungen. Er war im Laufe der Saison in eines der vielen Kölner Löcher gefallen. Nun muss ihn der Bundestrainer da wieder rausholen und mit neuer Torgefahr aufladen. Apropos neuer: Einen neuen Torwart Nr. 1 brauchen wir auch und so wird er wahrscheinlich dann heißen.

Ballermann (2). Weißbier satt und das aus großen Kübeln, wurde vergossen in diesem Wonnemonat. Vergossen – und ausgegossen über die Mitglieder einer rotweißen Fussball-Familie zu der seit einem knappen Jahr auch ein gut frisierter, aber strenger und arroganter holländischer Rotwein-Trinker gehört, der plötzlich sein Lustig-Gen entdecken durfte: „Ich bin ein Feier-Biest!“. Bayern München macht dem gemeinen Fussballfreund in diesem Halbjahr so richtig viel Spass. Wohin da nur in Zukunft mit dem ganzen Bayern-Hass? Und wer soll die eigentlich schlagen in der neuen Saison? Ist doch klar: Der Weltpokalsiegerbesieger! Aufm Platz und im Freudenhaus des deutschen Fussball. Welcome back, FC St. Pauli! Und willkommen Fans auf dem möglicherweise (hoffentlich) einzigen faschofreien Fussballplatz Groß-Deutschlands.

Runterkommen. Aller Jubel und Siegestaumel hat irgendwann ein Ende (stimmt’s, Guido W.?) und es drohen der tiefe Fall ins Loch der schwarzen Galle und die richtig miese Stimmung. Dann wird es vielleicht Zeit für einen Besuch beim Lieblings-Buchhändler. Wie es die junge Hamburger Schriftstellerin Katrin Seddig immer wieder macht, deren erster Roman just den Titel „Runterkommen“ trägt und im Frühjahr bei Rowohlt Berlin erschienen ist. So endet ihr Besuch im Buchladen: „Wenn ich zur Kasse gehe, habe ich in der Regel drei Bücher unter dem Arm. Manchmal auch vier oder nur eines. Aber eines eher selten. Wenn ich rauskomme, auf die Spitaler Straße (das ist mitten in Hamburg, die Red.), bin ich erschöpft und die Stadt trifft mich in ihrer Banalität und dem ganzen Straßentrara. Aber Bücher unterm Arm und nach Hause fahren, die Folie abreißen und schon mal reinriechen und überlegen, was man zuerst liest, das ist Vorfreude. Das ist ein schönes Leben.“ (Börsenblatt, 19, 2010, S. 36)

3 Gedanken zu „So! Rum. Mai MMX

  1. „Er macht sich Gedanken.“ Bundestrainer Löw über die besonderen Qualitäten des Verteidigers Philip Lahm. Da wird Bayern ja in Zukunft unschlagbar sein. Hoffentlich kommen nicht noch andere auf solche Ideen und machen das nach – sich Gedanken. Der Fussball stößt damit in ganz neue Dimensionen vor.

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